Nicole-01In der Wochenendausgabe der Mittelbayerischen Zeitung vom 21. November wurde ein sehr guter Bericht über Frauen in der Feuerwehr veröffentlicht. Nicole Aschenbrenner, aktives Mitglied der FF Arrach und auch des Web- und Dokumentationsteams wurde hierzu eingehend interviewt.

Nachfolgend der Text des Berichtes, der auch übe diesen Link erreichbar ist: http://www.mittelbayerische.de/region/cham/gemeinden/arrach/mit-wimperntusche-am-rettungsspreizer-20992-art1309299.html

Mit Wimperntusche am Rettungsspreizer?

Nicole Aschenbrenner aus Arrach macht eine blendende Figur im Dirndl. Und sie steht ihren Mann bei der Feuerwehr.
Von Regina Pfeffer

„Frauen zur Feuerwehr“ – So hieß eine Kampagne, mit der die bayerischen Feuerwehren im September um weibliche Mitglieder warben. Wimperntusche und Rettungsspreizer. Wie geht das zusammen? Sehr gut!

Das zeigt das Beispiel der 21-jährigen Haibühlerin Nicole „Nici“ Aschenbrenner, die als erste weibliche Kameradin in der FFW Arrach nicht mehr wegzudenken ist. Als hübsche junge Frau ist Nici im ganzen Landkreis bekannt. Im vergangenen Jahr war sie Finalistin in unserem Wettbewerb um die „Dirndlkönigin“. Im Interview hat sie uns erzählt, was eine Frau bei der Feuerwehr erlebt.

Im Landkreis Cham gibt es 7544 aktive Feuerwehrleute, davon sind nur 1505 Frauen. Woran liegt das?

Die trauen sich einfach nicht, können es sich nicht vorstellen. Sie glauben: „Ich kann eh kein Feuerwehrauto fahren, also was soll ich da?“

Wie bist du Feuerwehrfrau geworden? Was hat dich dazu bewogen?

Das war so: ich wurde damals (2008) von der FFW Haibühl-Ottenzell gefragt, ob ich Fahnenbegleiten möchte. Da habe ich gesagt, wenn ich Fahnen begleite, will ich auch wirklich dazu gehören. Ich ging zur Jugendfeuerwehr und habe alle Lehrgänge gemacht. Dabei war ich immer schon mehr ein Bub. Zwar habe ich auch mit Puppen gespielt, aber Feuerwehrautos haben mich mehr fasziniert (schmunzelt). Später wurde ich Schriftführerin der UG-ÖEL (Unterstützungsgruppe Örtliche Einsatzleitung, Standort Arrach). Schaun ma amoi, dachte ich mir, und legte den Aufnahmeantrag der FFW Arrach vor, die bis dato noch keine weibliche Mitglieder hatte.

Wie wirst du von deinen männlichen Kollegen akzeptiert?

Mittlerweile schon gut. Anfangs, wenn ich mich bei den älteren Männern dazugesetzt habe, waren sie gleich still (lacht).

Wo wirst du eingesetzt?

Wenn ich zu Hause bin, rücke ich auch aus, meist schneller als mein Freund (lacht). Wenn die Sirene oder der Melder losgeht, schaue ich, dass ich noch rechtzeitig in ein Feuerwehrauto komme oder ich fahre mit dem Privat-Pkw hinterher. Ich bin ja auch beim Web-Team der Inspektion dabei, mache Bilder und erstatte Bericht oder bin im Versorgungs-LKW GW-Logistik dabei. Da ich vielfältig ausgebildet bin (u. a. Atemschutzträgerin) kann ich überall eingesetzt werden, von der Straßensperre bis zum Einsatz mit dem Rettungsspreizer an der Front.

Was war dein bisher spektakulärster Einsatz? Welcher ist dir besonders im Kopf geblieben?

Grundsätzlich ist jeder aktuelle Einsatz spektakulär. Wenn ich in das Fahrzeug steige, spüre ich schon das Adrenalin in den Adern, bleibe aber äußerlich ganz ruhig und konzentriert. Das Hochwasser im Juni 2014 in Fischerdorf bei Deggendorf war doch sehr bewegend. Die menschlichen Schicksale dort hautnah zu erleben, ist mir sehr zu Herzen gegangen. Meinen ersten Toten habe ich bei einem Verkehrsunfall Motorrad contra Auto bei Eck erlebt. Auf dem Heimweg von der Arbeit empfing ich das Signal, die Feuerwehruniform hatte ich im Auto. Ich nahm noch schnell den Verbandskoffer und ging zum Einsatzort vor, aber es war leider schon zu spät.

Wie hält man es als Frau in einer männerbestimmten Feuerwehr aus?

Gut (lacht). Einfach nichts gefallen lassen und schlagfertig herausgeben. Auch wenn mir anfangs manche nicht zutrauten, schwere Einsatzgeräte heben zu können. Ich wurde oft gefragt, ob sie mir dabei helfen sollen. Aber vergleicht man mal das Gewicht von einem einjährigen Kind mit dem einer Motorsäge: beides ungefähr zehn Kilo. Oder eine Tauchpumpe mit einem Korb nasser Wäsche: ungefähr 25 Kilo. Auch bei der Feuerwehr wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Irgendwann wissen sie es.

Was können Männer, was Frauen besser?

Meiner Meinung nach gibt’s nur körperliche Unterschiede zwischen Mann und Frau. Die männlichen Kameraden haben an solchen Situationen genauso viel zu knabbern wie wir Frauen. Da hat jeder Stärken und Schwächen. Die Stärken gilt es da einzusetzen, wo sie gebraucht werden. Man braucht Praktiker und Denker. Bei mir ist der technische Faktor wichtig, egal ob ich als Atemschutzgeräteträgerin oder Gruppenführerin eingesetzt werde. Wo man gebraucht wird, packt man mit an. Als Atemschutzgeräteträgerin hat man beispielsweise 16 Kilo mehr, die man mit gesamter Montur mit sich rumträgt. Psychisch, weil man eben viel zu verdauen hat; bei Bränden oder Verkehrsunfällen sieht man Dinge, die anderen zum Glück verwehrt sind. Das mentale Einfühlen ist bei Frauen ausgeprägter.

Und wenn jemand sagt, Frauen schaffen einen schweren Feuerwehreinsatz psychisch und physisch nicht?

Ich muss ehrlich sagen: ich habe in meiner Ausbildung schon einige „harte Kerle“ erlebt, die sich dann in der Realität als „Weichei“ entpuppt haben und vor mir heimgefahren sind, weil sie es nicht gepackt haben. Frauen verstellen sich nicht, sondern zeigen gleich ihr wahres Gesicht.

Bei Einsätzen muss man ordentlich zupacken und wird auch mal dreckig. Man darf also nicht zimperlich sein?

Nein, zimperlich darf man nicht sein. Frisur, Make-up, das darf einen nicht stören. Mehrmals wurde ich schon unter der Dusche zu einem Einsatz gerufen. Dann schnell die nassen Haare zusammengebunden und los ging es. Jede darf schön sein und sich schön fühlen, aber: noch aufwendig die Frisur in Form gebracht, bevor der Helm auf den Kopf kommt, das geht nicht. Schmutzig wird man ja dank der Schutzausrüstung eh nicht. Aber körperlich fit zu sein ist von Nutzen, denn die Arbeit ist anstrengend, ohne Frage.

Wie läuft das mit der Kollegialität unter Männern? Musstest du schon mal einen blöden Spruch einstecken?

Ja klar, aber das ist eh mehr Gaudi. Da ist es bei der Feuerwehr nicht anders als bei anderen Gemeinschaften. Im Sportverein, im Berufsleben oder wenn man sich mit Freunden trifft – da gibt es immer mal Sprüche oder Meinungsverschiedenheiten. Wenn Sprüche kommen, habe ich eine Antwort parat. Dann gebe ich einfach Contra und es passt wieder. Aber zu 99 Prozent läuft das reibungslos. Ab und zu fährt man halt den Ellbogen aus.

Gibt es etwas, dass deine männlichen Kollegen dürfen, du aber nicht?

Nein, fast nichts. Die beiden Lkw der FFW Arrach darf ich halt noch nicht fahren. Natürlich kommt es auch darauf an, die entsprechenden Lehrgänge zu haben (z. B. Atemschutz). Alles, für das man ausgebildet wurde, darf man auch machen.

Mit welchem Argument würdest du die beste Freundin überzeugen, zur Feuerwehr zu gehen?

Feuerwehr heißt helfen. Jede(r) kann mitmachen. Nicht nur die „Harten“. Für jeden gibt es einen Aufgabenbereich. Du kannst deine Freizeit sinnvoll nutzen, nicht nur irgendwo herumlungern und zugleich jemandem in Notlage helfen. Das Gelernte hilft einem selber auch im privaten Bereich. Außerdem wird die Kameradschaft gepflegt, und ganz nebenbei macht es auch noch einen Riesenspaß.

Hast du deinen Entschluss jemals bereut?

Nein, auf keinen Fall. Auch, wenn ich eine Frau bin: Unter dem Helm sind alle gleich.

Das sagt der Kreisbrandinspektor

Bei dem Interview mit Nicole Aschenbrenner war auch der zuständige KBI Michael Stahl dabei und schaltete sich mit Anmerkungen ein:

Zur Tradition: „Feuerwehr war immer schon eine Männerwirtschaft. Vom Feuerwehrgesetz her aber gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen, man kann sich als Wehr gar nicht gegen Frauen verwehren.“

Die Realität heute: „Im Kötztinger Inspektionsbereich gibt es mehrere Wehren, die schon seit den 70er Jahren Frauengruppen ausgebildet haben. Wenn es auch – zugegeben – wegen Familie, Haushalt, Kinder schwieriger wurde, aktiv auszurücken. In anderen Landkreisen gibt es durchaus Ansätze, dass eine der Feuerwehrfrauen im Gerätehaus bleibt und die Kinder der anderen Aktiven beaufsichtigt.“

Erfahrungen: „Die Erfahrungen mit Frauen sind durchwegs positiv. Auch ich konnte in meinen bisherigen 27 Jahren und davon 14 Jahren als KBI die aktiven Feuerwehrfrauen bei Einsätzen und Übungen schätzen lernen. Bis auf einige wenige unbelehrbare Skeptiker („Frauen können das nicht, die können nur kochen“) ist auch Nicole inzwischen bestens akzeptiert.“

Über Nicole Aschenbrenner: „Ein Novum ist, dass Nicole im Februar den Gruppenführer-Lehrgang an der Feuerwehrschule in Lappersdorf gemacht hat. Das ist nicht selbstverständlich. Sie war die einzige Frau unter 34 männlichen Mitbewerbern. 2013 beim Bundesleistungsabzeichen in Bronze war sie Gruppenführerin und lernte das dafür erforderliche Fachwissen innerhalb zwei Tagen, da sie für einen ausgefallenen Kameraden einsprang. Sie ist eine von lediglich zwei Damen im Inspektionsbereich, die den Gefahrgutlehrgang/Chemieschutzträger absolvierte. Nicole hat sich über viele Jahre hinweg sehr engagiert und passt sich gut in die Feuerwehr ein. Wir sind stolz auf sie. Ihren männlichen Kollegen steht sie in nichts zurück. Ich bin mir sicher, dass sie ihren Weg geht.“

Fazit: „Ohne Frauen geht es bei der Feuerwehr nicht mehr. Mit dem demografischen Wandel ist es wichtig geworden, dass viel mehr Frauen in die Feuerwehren eintreten und sich dort engagieren. Ohne Frauen sinkt die Zahl der Aktiven immer weiter. Es ist oftmals nicht leicht, sich gegen die vielen Vorurteile als Frau in der freiwilligen Feuerwehr durchzusetzen, aber mit der richtigen Mannschaft im Rücken und einer gesunden Portion Selbstvertrauen ist das kinderleicht. Immer fortbilden, die Zeit bleibt nicht stehen.“

 (Bilder und Bericht von der Mittelbayerischen Zeitung - Regina Pfeffer)

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